Erläuterung des Begriffs „Spätaussiedler“

Spätaussiedler sind Personen deutscher Abstammung, die aus den Ländern Ost- und Südosteuropas, in die ihre Vorfahren vor mehreren hundert Jahren ausgewandert sind, nach Deutschland einreisen, um hier zu leben. Sie sind dann hier in Deutschland kraft Gesetzes Deutsche. Gleiches gilt für ihre nichtdeutschen Ehegatten und Kinder. Rechtsgrundlage für die Aufnahme und Anerkennung dieser Personen ist das Bundesvertriebenengesetz (BVG).

Herkunftsgebiete

Die Länder Ost- und Südosteuropas, die als Herkunftsländer der Spätaussiedler gelten, sind zum einen die Staaten der ehemaligen Sowjetunion, also z. B. Russland, Kasachstan und die baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen, zum anderen Polen, die tschechische und slowakische Republik, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, das ehemalige Jugoslawien, Albanien Hierzu zählen aber auch die Gebiete des ehemaligen Deutschen Reiches östlich der Oder-Neisse-Linie, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Deutschland durch Bestimmung der Siegermächte abgetrennt und an Polen (hier insbesondere Schlesien, Pommern, Westpreußen und das südliche Ostpreußen) bzw. an die Sowjetunion (das nördliche Ostpreußen) abgetreten wurden.

Geschichtlicher Überblick

  • Polen
    Die deutsche Bevölkerung im Gebiet des heutigen Polen lebte überwiegend in den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die seinerzeit zum Deutschen Reich gehörten. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als die deutsche Wehrmacht nach dem verlorenen Russlandfeldzug von der Roten Armee nach Westen zurückgedrängt wurde und damit die russischen Truppen den deutschen Siedlungsgebieten immer näher rückten, verließen viele Deutsche ihre Heimat aus Angst vor den Russen und flohen Ende 1944 / Anfang 1945 nach Westen. Die Bevölkerung, die zurückblieb, wurde in den nächsten Jahren massiv unterdrückt von den neu angesiedelten Polen und konnten bis Ende der achtziger Jahre Polen nur unter erschwerten Bedingungen verlassen, weil die polnischen Behörden die Ausreise verweigerten. Seitdem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen ein Nachbarschaftsvertrag und ein Abkommen über die Rechte der deutschen Minderheit in Polen  Anfang der 90er Jahre abgeschlossen wurde, kommen nur noch wenige deutschstämmige Personen im Rahmen der Aussiedlung nach Deutschland.
  • Rumänien
    Im Bereich des heutigen Rumänien lebten seit ca. 850 Jahren Deutsche. Die Ansiedlung begann bereits im 12. Jahrhundert und setzte sich bis ins 19. Jahrhundert fort. Der rumänische Staat wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg gegründet und setzte sich aus Teilen der ehemaligen Donaumonarchie Österreich-Ungarn und Russlands zusammen.Die Vertreibung der Rumäniendeutschen begann gegen Ende des zweiten Weltkriegs, als die Rote Armee in die Siedlungsgebiete der Banater Schwaben, Siebenbürger Sachsen, Bessarabiendeutschen eindrang und die Deutschen dort mit Gewalt vertrieb. Die verbliebenen Deutschen waren nach dem Krieg Repressalien ausgesetzt und verloren zeitweise die ihnen zugestandenen Minderheitenrechte. Im Verlauf der 80er Jahre verließen viele Deutsche Rumänien und siedelten nach Deutschland aus, um sich einem ständig steigenden Assimilierungsdruck zu entziehen.
  • Ungarn, Tschechoslowakei, Jugoslawien
    Aus diesen Staaten flohen die meisten Deutschen gegen Kriegsende bzw. wurden nach dem Krieg vertrieben. Die Zahl der nach dem Krieg im formellen Aussiedlungsverfahren ausgereisten Deutschen war relativ gering.
  • Russland bzw. die Staaten der ehemaligen Sowjetunion
    Die Einwanderung der Deutschen nach Russland begann verstärkt mit dem Einladungsmanifest von Zarin Katharina II im Jahr 1763, das an verschiedenen europäischen Höfen verbreitet wurde und in Deutschland vor allem im hessischen Gebiet, Nordbayern, Nordbaden sowie im Rheinland und der Pfalz das größte Echo fand. Diese Gebiete waren im Siebenjährigen Krieg besonders beeinträchtigt worden und die Bewohner dieser Landstriche litten darunter, dass ihre Existenzgrundlage hierdurch weitgehend zerstört war. In dem Einladungsmanifest wurde ausländischen Kolonisten, die nach Russland kommen wollten u. a. Religionsfreiheit, Befreiung vom Militär- und Zivildienst, Steuerfreiheit bis zu 30 Jahre, Selbstverwaltung und staatliche Unterstützung zugesichert. In den nächsten Jahren wanderten dann Zehntausende aus, die um St.-Petersburg, zum großen Teil jedoch für die Kolonisation der Wolgasteppen in der Nähe des Städtchens Saratow angesiedelt wurden. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wanderten weitere Gruppen überwiegend aus dem württembergischen Raum nach Russland aus und siedelten überwiegend im Schwarzmeergebiet. Weitere Kolonien entstanden in Sibirien und Kasachstan. Das größte zusammenhängende Siedlungsgebiet der Deutschen befand sich in der Ukraine. 1924 wurde dort die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen gegründet. Hier war Deutsch Amts- und Schulsprache. Da es aber in der Sowjetunion Kräfte gab, denen die Selbstverwaltung der Deutschen ein Dorn im Auge war, so wuchsen im Laufe der Zeit die Spannungen zwischen der russischen und der deutschen Bevölkerung. Den Deutschen wurde ihr Erfolg geneidet, es wurde eine allgemeine Anpassung an die russischen Verhältnisse gefordert. Es fanden Zwangskollektivierungen statt, die Deutschen wurden zum Teil als Staatsfeinde angesehen und behandelt, zum Teil auch deportiert. Ihren Höhepunkt erreichte die deutschfeindliche Stimmung in der Sowjetunion mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht am 22.06.1941 auf die Sowjetunion. Alle Deutschen, soweit sie während des Krieges von den russischen Behörden erreicht werden konnten, wurden jetzt als Kollaborateure angesehen und verfolgt. Sie wurden aus ihren angestammten Siedlungsgebieten westlich des Urals nach Sibirien und Kasachstan umgesiedelt. Die Überlebenden der Umsiedlungstransporte wurden in Sondersiedlungen unter Aufsicht von Kommandanten des Innenkommissariats angesiedelt. Zum Teil wurden sie Einheiten der Arbeitsarmee zugeteilt und musste beim Bau von Industrieanlagen, Bahnlinien, Straßen und Kanälen  sowie im Bergbau helfen. Sie durften den ihnen zugewiesenen Wohnort nicht verlassen. Die deutsche Bevölkerung, die sich in dem von der Wehrmacht besetzten russischen Gebiet befand, machte sich in Trecks in Richtung Westen auf den Weg. Sie wurden auf von den Deutschen besetztem polnischem Gebiet und auch im Deutschen Reich angesiedelt. Im Zuge des Zurückweichens der Ostfront erreichte die Rote Armee diese Gebiete und brachte die dort ansässigen Deutschen gewaltsam in die Sowjetunion zurück. Auch diese Deutschen mussten in Sondersiedlungen leben und standen dann unter Kommandanturaufsicht. Die Kommandanturbeschränkungen wurden erst 1956 aufgehoben. Die Deutschen konnten aber nicht mehr in ihre alten Siedlungsgebiete zurückkehren. Im Rahmen der Öffnung der Sowjetunion nach Westen in der Ära Gorbatschow und nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde es den Deutschen nunmehr erleichtert, nach Deutschland auszureisen, wovon sehr viele aus Enttäuschung darüber, dass die Wiederherstellung der Wolgarepublik nicht erreicht wurde und auch wegen ethnisch begründeter Benachteiligungen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion Gebrauch machten.

    Weitere Auskünfte zum geschichtlichen Hintergrund sind bei  folgender Stelle erhältlich:
    Bundeszentrale für politische Bildung
    Berliner Freiheit 7
    53111 Bonn

Aufnahmeverfahren

Die gesetzliche Regelung zur Aufnahme von Deutschen aus den Staaten Ost- und Südosteuropas wurde im Laufe der Jahre wegen der stark angestiegenen Zuzugszahlen und der besseren Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des Öfteren novelliert. Wenn es bis zum Ende der 80er Jahre ausreichte, mit einem Touristenvisum und einigen persönlichen Unterlagen nach Deutschland einzureisen und in einem Aufnahmelager registrieren zu lassen, so wurde zum 01.07.1990 erstmalig das schriftliche Aufnahmeverfahren eingeführt, das zum 01.01.1993 nochmals angepasst wurde. Das schriftliche Aufnahmeverfahren besagt, dass Personen, die als Deutsche aus den Aussiedlungsgebieten nach Deutschland kommen wollen, zunächst ein umfangreiches Formular mit Angaben zur Deutschstämmigkeit der Aufnahmebewerber ausfüllen müssen und dieser Antrag dann an das Bundesverwaltungsamt schicken müssen. Der Hauptsitz des BVA ist in Köln, von den während der 90er Jahre vorhandenen Nebenstellen des BVA ist jetzt nur noch Friedland übrig geblieben.

Das BVA prüft den Antrag dahingehend, ob im vorliegenden Einzelfall die Voraussetzungen der deutschen Volkszugehörigkeit gegeben sind und legt vorläufig gemäß den im Bundesvertriebenengesetz vorgegebenen Aufnahmequoten für die einzelnen Bundesländer das Bundesland fest, in dem der Aufnahmebewerber seinen Wohnsitz nehmen soll, wenn er nach Deutschland einreist. Jedes Bundesland bestimmt für das Aufnahmeverfahren eine Behörde, die auf Landesebene am Aufnahmeverfahren beteiligt wird.Für Nordrhein-Westfalen wurde durch das Landesaufnahmegesetz und die Aussiedlerzuweisungsverordnung die Landesstelle in Unna-Massen hierfür bestimmt.

Wenn das BVA also einen Aufnahmebewerber entsprechend der Aufnahmequote nach Nordrhein-Westfalen schicken möchte, leitet es den Aufnahmeantrag zunächst der Landesstelle in Unna-Massen zur Prüfung und Zustimmung zur Aufnahme zu. Die Landesstelle prüft im Zustimmungsverfahren nochmals eigenständig die Aufnahmevoraussetzungen. Stimmt die Landesstelle der Aufnahme zu, schickt es den Antrag an das BVA zurück und dieses erteilt dann dem Antragsteller den Aufnahmebescheid. Stimmt die Landesstelle nicht zu, so muss der Antrag vom BVA abgelehnt werden.Wird der Aufnahmebescheid erteilt, so kann der Aufnahmebewerber nach Deutschland einreisen und muss sich in Friedland zur Registrierung melden. Dort erhält er einen Registrierschein und wird zunächst, sofern sich zwischen der Erteilung des Aufnahmebescheides und der tatsächlich erfolgten Einreise hinsichtlich der Aufnahmequote des Landes nichts geändert hat, nach Unna-Massen geschickt. In Unna-Massen wird der registrierte Spätaussiedler mit seiner Familie zunächst untergebracht und nach einiger Zeit entsprechend den Vorgaben des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler auf eine Stadt verteilt, die verpflichtet ist, den Spätaussiedler aufzunehmen. Die Verpflichtung richtet sich nach einer Aufnahmequote, die entsprechend den Vorschriften der Aussiedlerzuweisungsverordnung berechnet wird. Der Spätaussiedler wird dann in die Kommune weitergeleitet, in der er zunächst befristet für drei Jahre seinen Wohnsitz nehmen muss, um den Anspruch auf seine Eingliederungshilfen nicht zu verlieren.Spätaussiedler erhalten nach den Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes zusätzlich zum Aufnahmebescheid und Registrierschein eine Spätaussiedlerbescheinigung als Nachweis der Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft. Diese Bescheinigung wurde bis zum 31.12.2004 in NRW von den Kommunen ausgestellt. Für alle Personen, die nach dem 01.01.2005 in Friedland registriert werden, stellt jetzt das BVA in Friedland nach Weiterleitung der Antragsteller in die Kommunen nach Bekanntgabe der Adressen die Spätaussiedlerbescheinigung aus und übersendet sie auf dem Postweg an die Antragsteller.

Weitere Auskünfte zum Aufnahmeverfahren sind bei folgenden Stellen möglich:

  • Bundesverwaltungsamt - Außenstelle Friedland -
    Heimkehrerstraße 16
    37133 Friedland
    Tel.: (05504 / 801-0)
    Fax: (05504 / 801-202
    Internet-Adresse: http://www.bva.bund.de

  • Landesstelle Unna-Massen
    Sesekestraße 15
    59427 Unna
    Tel.: 02303/ 954-0
    Fax: 02303/ 954-401
    Internet: http://www.lum.nrw.de/                                                     
    E-Mail: poststelle@lum.nrw.de

Eingliederungshilfen für Spätaussiedler

  1. Eingliederungshilfe für Kommandanturgewahrsam
    Spätaussiedler
    haben nach dem Bundesvertriebenengesetz einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung, wenn sie unter der Kommandanturaufsicht gestanden haben. Die Anträge können bei der Gemeinde gestellt werden. Diese leitet die Anträge zur weiteren Bearbeitung an die Landesstelle Unna-Massen weiter. Kontaktadresse, siehe oben.
  2. Teilnahme an einem Sprachkurs
    Spätaussiedler, ihre Ehegatten und Abkömmlinge
    haben Anspruch auf kostenlose Teilnahme an einem Integrationssprachkurs. Dieser Kurs umfasst maximal 630 Unterrichtseinheiten, die sich aus 600 Einheiten Sprachkurs und 30 Einheiten Orientierungskurs zusammensetzen. Der Sprachkurs besteht aus dem Basissprachkurs mit 300 Unterrichtseinheiten und dem Aufbaukurs mit 300 Unterrichtseinheiten.

Rechtsgrundlagen

Kosten

  • Es fallen keine Gebühren an.

Zuständige Stelle

Asyl, Flüchtlingsarbeit
Hauptstraße 30
48720 Rosendahl

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